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Barfuss im Reisfeld

Hoa Binh - Friedliches Land

von Karl-Heinz Krause


22. Februar 1952. Ausbruch der französischen Truppen aus dem Kessel von Hoa-Binh!
Nur kurz vor dem Angriff von drei Viet-Minh-Divisionen gelang es der Besatzung von Hoa-Binh sich über den Schwarzen Fluß zu retten und sich dann 30 km durch die Berge bis kurz vor Hanoi zurückzuziehen.

10.11.1951. Beginn der Opération „Tulipe“ (Tulpe). Ziel: Einnahme von Hoa-Binh, damit wieder Einfluß auf die Moung-Region nehmen und damit den Druck der Viet-Minh-Divisionen auf das Delta nehmen. Außerdem besteht auf der RC (Route Coloniale) 6 von China aus eine befahrbare Strecke für LKW bis Hoa-Binh und auch der Abzweig nach Laos über Mai-Chau und in das Delta nach Süden. Eine wichtiger Versorgungsweg des Viet-Minh.

Das 1° B.E.P. (Fallschirmjägerbataillon der Legion) springt in den Calcairen von Cho-Ben ab. 2 Kompanien des 1/5° R.E.I. liegen schon auf der Lauer, als Reserve, und greifen nach der Landung sofort ein. Wir sammeln die Fallschirme des B.E.P. ein, das sich an die Verfolgung der flüchtenden Viets macht. Leider müssen wir schon 2 Legionäre bergen, die den Sprung nicht überlebt haben. Am nächsten Tag werden wir abgezogen, im Eiltempo bis an den Fuß des Mont Bavi. Die Fahrt dauert den ganzen Tag, alle Straßen mit Truppenkolonnen voll, wir haben Vorfahrt, das ist schon verdächtig. Am nächsten Morgen werden alle Alten der Kompanie, die schon 1949 in Hoa-Binh waren, in ein Zelt gebracht und dort von Offizieren des Stabes befragt. Man will wissen, wie weit wir damals am Schwarzen Fluß und am Mont Bavi waren, befahrbare Straßen usw. Und Fragen zu Hoa-Binh. Wir haben November 1949 mit einem Einsatz in Hoa-Binh in der bis dahin friedlichen Moung-Region einen Krieg ausgelöst, der zum Verlust der Region von Dien-Bien-Phu bis Hoa-Binh führte, selbst Hoa-Binh musste aufgegeben werden. Alle Befragten bekamen keinen Ausgang mehr in das Dorf, man wollte verhindern, dass die Barfrauen uns ausfragen konnten. Am nächsten Tag begann die große Opération Tulipe. Die G.M. 1 (Groupement Mobil) entlang des Schwarzen Flusses, wir durften direkt über den Gipfel des Mont Bavi (1260 Meter) klettern. Das Batallion. auf halber Höhe, die Section Montagne (Gebirgsaufklärerzug) voll oben, nachschauen, ob da kein Viet-Minh versteckt ist. Mit 12 Stunden Verspätung sind wir auch am Fluß, werden für eine Viet-Einheit gehalten und bekommen richtig Zunder von unseren Maroc-Kameraden. Dafür haben wir am nächsten Tag ihre Verpflegung, die bei uns abgeworfen wurde, verschwinden lassen. Wir hätten sonst deren Nachschub schleppen müssen. Der Viet, der in dieser Gegend eigentlich immer der Herr war, war natürlich abgetaucht. In dieser wilden Bergregion, nie mehr als 100 Meter freie Sicht, war das kein Problem.

Getreu der Mao-Thesen: Wenn der Feind mit großer Zahl in die Offensive geht, dann vergrabe die Waffen und bleibe 2 Tagesmärsche entfernt in Wartestellung, bis der Feind die Suche einstellt! Minen und Fallen gab es reichlich. 3 Batallione Fallschirmjäger sprangen in Hoa-Binh ab, die G.M. 3 öffnete die R.C. 6, gefolgt von der G.M. Sud, die die freigemachten Stücke sicherte. Die Marine befuhr den Fluß, die ersten L.T.C.(U.S. Landungsboote für einen LKW oder 30 Mann) nahmen das 1/5° R.E.I. auf und wir landeten 12 Stunden nach der Einnahme von Hoa-Binh ebenenfalls dort. Die 2. Kompanie wurde sofort auf der Nordseite von Hoa-Binh auf der R.C.6 gelandet. Direkt an der Fährstelle war eine Werft des VM ! 4 fast fertige Fähren lagen am Ufer in der Tarnung. Die Häuser am Ufer waren Garagen für LKW und Lagerhallen unterirdisch, darüber waren nur kleine Chan-Nya, die typischen kleinen Wohnhäuser der Thai. Spuren von LKW waren nicht feststellbar, später wurden Kanister mit Altöl usw. gefunden. Zum ersten Mal Beweise dafür, dass der Viet-Minh über Kraftfahrzeuge verfügte!

Die 2. Kompanie bekam den Berg an der Fähre als Stellung zugewiesen. Cote (Höhe) 196, d.h.196 Meter über den Fluß, im Halbkreis nördliche Ufer, ca. 3000 Meter lang mit beidseitigen Steilhängen, erst Elefantengras, dann Buschwerk und jede Menge Urwaldriesen, total zugewachsen. Unsere Partisanen hauten erst mal einen Pfad nach oben, dann begann der Aufstieg. Mein Zug mit den Granatwerfern und Mitrailleusen (schwere Maschinengewehre) benötigte zwei Stunden für den Erstaufstieg. Eine grobe Einteilung der Stellungen und schon ging die Schanzarbeit los. Freie Sicht schlagen, erst 10 Meter ,dann Stellungen und Laufgräben, dann Schußweitenverlängerung, Bunkerbau , Latrinen usw. Sofort wurde die sogenannte Maginot-Arbeitszeit eingeführt. 4 Stunden Arbeit, 4 Stunden Wache , 4 Stunden Schlaf, immer 1/3 der Section. Von der Straße bis auf den Kamm mussten Treppen gebaut werden, denn in dem Lehm war ein Abrutschen lebensgefährlich. Eine Serpentinentreppe für den Aufstieg, eine Steiltreppe für den Abstieg, später kam ein Mulipfad dazu, denn wir bekamen wieder mal 5 dieser treuen Helfer von den Marokkanern gestellt.

Ein Offizier der Artillerie kam und schoß seine Geschütze ein, bis auf 50 Meter vor die Stellungen! In die Artillerie hatten wir immer ein großes Vertrauen. Er beobachtete fast eine Stunde die riesige Kalkwand, die 400 Meter hoch und breit, bis in das Zentrum der Stadt reichte, dort senkrecht abfiel. Diese Calcaire reichte mehrere Kilometer parallel zum Fluß nach Norden. Und wir waren ebenfalls parallel daneben, auf der anderen Flußseite, aber hatten keine Waffen um dorthin zu schießen. Im Gespräch habe ich dem Offizier erklärt, dass wir diesen Berg schon 1949 noch aus der Nähe erkundet haben, seine zahlreichen und riesigen Höhlen gesehen haben, auch den legendären Wasserfall. In diesem Berg können Tausende sich sicher vor Granaten und Bomben aufhalten, mit frischem Quellwasser. Der Offizier hat dann uns, den Offizieren und Chef de Sections (Zugführer) erläutert, dass der Berg bereits vom Viet besetzt ist. Marokkaner, die den Berg besetzen sollten, sind ganz gewaltig in Nahkämpfe geraten und geschlagen worden. Es sei eine Frage von Tagen, dann sei der Viet vorn an der Steilwand, also mitten in Hoa-Binh. Die Artillerie habe bereits die Stellungen verlegt und wäre jetzt am Flußufer Der Flugplatz, der direkt unterhalb der Steilwand liegt, wurde mit aller Eile zum Ufer verlegt. Und er sagte, der Viet hätte bereits große Geschütze im Einsatz am Schwarzen Fluß und versucht, die Flussverbindung zu unterbrechen. Der Nachschub kam fast nur mir den LCT und Fähren von Hanoi über den Roten Fluß, bei Sontay in den Schwarzen Fluß.

Wir bekamen ein 7,5 cm-Gebirgsgeschütz, das unsere Mulis hochschleppen mußten. Ein Sergeant der Artillerie blieb bei uns, unterrichte eine Gruppe Legionäre unter Führung von Miguel Martines, der in Spanien schon mal so eine Kanone bedient hatte. Wir erhielten per Luftpost (JU 52) sieben Mitrailleusen Cal. 50, Scherenfernrohre, und nachdem unsere 7,5 cm durch einen Rohrkrepierer ausgefallen war (leider mit 3 Schwerverletzten) als Geheimwaffen eine 5,7 und eine 7,5, cm rückstoßfreie Kanone.

Innerhalb einer Woche war die Höhe 196 eine uneinnehmbare Festung, jeder tote Winkel war mit Aushub aufgefüllt, das gesamte Gestrüpp und die Bäume waren 150 Meter entfernt zu einer meterhohen Hecke aufgehäuft, durch die es kein Durchkommen gab. Die Hecke war auch noch mit Minen gespickt. Und wir waren sehr tief unter der Oberfläche, artilleriesicher eingegraben. Wir konnten wieder unseren Job nachgehen, Aufklärer nachts rausschicken und dann die Gegend ausspähen, wie nahe die Viets schon sind, und die waren auf unserer Seite noch nicht da. Wir bestreiften regelmäßig das große Moung Dorf, (Bergvolk, sehr frankreichtreu) das westlich von uns an einem großen See liegt. Kauften dort Frischgemüse und natürlich Fische, wir lassen auch Bestellungen dort für unsere Sonntagsmenues. Wir haben Muongs als Partisanen in der Kompanie, die alle aus der Gegend stammen, und somit habe wir den besten Kontakt zu den Bewohnern, die immer zu Frankreich hielten und jeden Vietnamesen hassten. Und so wussten wir über die Bewegungen des Viet-Minh in dieser Ecke alles. Unsere Muongs haben sich auch mit Genehmigung des Kompaniechefs schon mal ohne Waffen und Uniform abgesetzt und haben versucht, ihr Heimatdorf zu erreichen. Meist ohne Erfolg, der Viet hat die Bergvölker, die nicht mit ihn kooperierten, ausgelöscht oder weit von der Frontlinie vertrieben.

Am 12.12.1951 soll die R.C. 6 in Richtung Norden weiter besetzt werden, um die bestehende Verbindung Richtung Laos zu unterbrechen. Angeblich will eine Spähergruppe von uns Motorengeräusche gehört haben. Die beiden „Hörer“ haben später zugegeben, dass sie irgendwo sich versteckt haben und geschlafen haben, aber keine Geräusche gehört haben.

Ein Regiment Vietnamesen mit Panzerunterstützung , die von einer Section der 3.Kompanie geschützt wird, geht vor. Wir oben drüber, werden nicht informiert. Alles geheim. Nach 6 Kilometern ist alles aus. Der Viet hat auf Lauer gelegen, es war also doch nicht geheim. Eine Stunde dauerte der Kampf, das Regiment restlos weg, angeblich desertiert, drei Panzer und zwei Spähwagen kommen mit 16 Legionären zurück, das war der erste Schlag des Viet-Minh. Siehe Maos Schlachtanweisung!

1600 Soldaten und ca. 30 Fahrzeuge weg und 22 Legionäre der 3.Kompanie,davon 4, die von den rückwärtsflüchtenden Panzer überrollt wurden, während die Legionäre die Vietminh abschossen, die bereits auf dem Panzer lagen und diesen sprengen wollten!

Jetzt kamen die Schläge des Viet. Mitte Dezember waren die französischen Truppen am Schwarzen Fluß und Mont Bavi aufgerieben, das 8° B.P.C., Fallschirmjäger mit Vietnamesen gemischt, völlig aufgerieben, die Marokkaner ebenfalls. Der Fluß war zu, es gelang dem Viet einen großen Transporter zu versenken, damit war für die Marineeinheiten in Hoa-Binh der Nachhauseweg versperrt.

Die Straße von Hanoi nach Hoa-Binh wurde für eine Nachschubkolonne zur Falle. Alle LKW mit Nachschub gingen in Flammen auf, nachdem der Viet sie abgeladen hatte, nicht zu vergessen, die Reifen. Die brauchte der Viet dringend als Sandalen für seine Sturmeinheiten, die zweite Reihe kam schon in Strohsandalen!

Der Viet-Minh kam täglich näher, die Festung wurde schon mit 80 mm-Werfern beschossen und landende JU 52 wurden mit schweren MG beschossen und die Werfer versuchten die Flugzeuge zu treffen. Weihnachten war an dem Steilfelsen ein beleuchteter Viet-Minh-Stern aufgehängt, der riesige Pendelbewegungen machte. Die Artillerie brauchte fast 2 Stunden, bis der Stern getroffen wurde. Ein schönes Schauspiel. Am nächsten Tag war auf dem Berg eine riesige Fahne gehisst, die hielt den ganzen Tag stand, bis eine Hellcat (Jagdbomber) sich der Sache annahm und eine Napalmbombe drauflegte. Er hat aber auch reichlich Zunder bekommen und dreht sofort in Richtung Heimat ab. Da waren aber bestimmt 20 MG zu hören.

Alle Einheiten hatten jetzt Feindkontakt, der Viet war voll da, nur wir oben auf der Höhe 196 sahen bei allen Gefechten zu, unsere Streifen entdeckten nur am Flußufer eine Stellung der Viet, die sofort mit mehreren MG auf unsere paar Leute losballerte und auch die Verfolgung aufnahmen, das war auch ein ganz neuer Zug des Viet-Minh.

In der Nacht zum 30.Dezember 1951 versuchte der Viet, dass 2. Batallion der 13. Halbbrigade der Legion (13° D.B.L.E.) zu überrennen. Das Batallion lag ebenfalls wie wir, außerhalb der Festung, in Xom-Pheo, auf der rechten Seite des Flusses, aber in Richtung Hanoi. Dort wo die R.C.6 von Flußufer abbog und in die Berge ging, die wichtigste Position der Festung. Diese Nacht gilt als Camerone der 13° D.B.L.E., die schon 1940 in Narvik/Norwegen gekämpft hat und seitdem ununterbrochen im Einsatz war. Dem Feind gelang es, in die Stellungen einzudringen, dann kam der berühmte Befehl der Legion: Artilleriefeuer auf die eigene Stellung für 15 Minuten! Der Viet zog sich im Morgengrauen mit verheerenden Verlusten zurück! Der Viet ließ selten seine Tote und Waffen zurück, aber an diesem Morgen mussten die Legionäre über 800 tote Viets aus ihrem Posten schleifen. Und die ganze Wucht des Angriffes ging nur gegen die 5. Kompanie, der Rest des Batallions konnte auf Grund der Länge des Postens nicht helfen. Nachzulesen im Képi blanc Nr. 413 von Mai 1982.

Der Flugplatz wurde nur noch in Notfällen benutzt, die 2. Landebahn wurde im Eiltempo planiert, lag aber schon im Feuer der sehr effektiven kleinen Geschütze des Viet. Unsere Artillerie, 10,5 und 15 cm ballerten Tag und Nacht und müssen dem Gegner auch schwere Verluste zugefügt haben.

In der Nacht vom 7. auf den 8.1.1952 startet der Viet seinen ersten Angriff auf Hoa-Binh. Wir beobachten ,dass die Leuchtspurgarben unten in der Festung in alle Richtungen gingen, da musste ein Chaos herrschen. Die Artillerie des Viet feuerte zum ersten Mal pausenlos in unsere Stellungen in der Stadt und wir konnten die Stellungen der feindlichen Artillerie auf Grund des Mündungsfeuers genau bestimmen. Pausenlos versucht unser Funker unsere Ari-Leitstelle zu erreichen - vergebens. Also haben wir 4 unserer Cal. 50 aus den Bunkern geholt und dann in Richtung der Vieh-Artillerie geschossen. Die alte Methode, Abschussfeuer bis Abschussknall ergab 3-4 Kilometer Entfernung. Die Entfernung war zwar riesig, der Viet hat das Feuer aber eingestellt und uns unter Feuer genommen. Offenbar hat unser Störfeuer gewirkt. Die Einschläge waren aber so ungenau das es uns nur ein Lächeln entlockte.

Die Wahrheit kam im Morgengrauen: die halbe Kompanie in die Festung, zum Gegenangriff! Was war geschehen? Der Viet hat alle Stellungen umgangen, aber unsere Artillerie bis auf 3 Geschütze gesprengt, die Offiziere gefangengenommen, das Hospital geplündert (hat er immer gemacht), Ärzte auch weg und auch sonst in den Stabsquartier alles was er benötigte, Funkgeräte usw. ganz gezielt mitgenommen. Beim Rückzug ist der Feind aber dem 3. Batallion der 13° D.B.L.E. in die Quere gekommen, die endlich den Durchblick hatten und zum Gegenangriff übergingen, als sie von innen angegriffen wurden. Der Viet wollte durch die Stellungen der 13ten auf den kürzesten Weg in die eigenen Stellungen zurück. Im dichten Morgennebel, den wir täglich hatten, säuberten wir die Stadt. Die armen Senegalesen der Artillerie, die an ihren Geschützen standen und feuerten, die haben nie damit gerechnet, dass die Viets schon mit den Haumessern hinter ihnen standen und auf den Angriffsbefehl warteten. Wie immer hat sich der Viet eingeschlichen und erst nachdem alle in Position waren angegriffen! Alle Einheiten der Legion beteiligten sich an der Säuberung, was half es, die 14 Geschütze waren hin, die Rohre mit Plastic abgesprengt. Zum Glück waren noch drei 10,5 cm unversehrt Aber die Schlagkraft war weg. Neue Geschütze konnte uns niemand bringen.

Wir, die 2. Kompanie zog die Arschkarte, da wir zum ersten Mal in der Festung waren, durften wir den Rollfelddienst versehen. Wenn eine JU 52 landete, dann sofort die Collis bergen, die während des Rollens schon von den Packern (Legionäre, die nicht sprungtauglich waren) rausgeworfen wurden, wenn die Tante Ju dann sofort zum Start drehte, dann wurden die Verwundeten in die JU geschleppt (so kann man es nennen). Die Verwundeten lagen mit uns im Schutzgraben, direkt am Rollfeld, in die Ju kam derjenige, der am nächsten an dem Flieger lag. Mein Freund, Harry Strohbach aus Hünxe (13° D.B.L.E.) ist mir heute noch dankbar, dass ich ihm in die letzte Ju am 8.1.1950 geholfen habe. Bei jeder Versammlung der Amicale (Kameradschaft ehemaliger Fremdenlegionäre) trinken wir einen Schluck auf diesen Tag.

Nach der Artillerie schaltete der Viet die Luftwaffe aus. Nach dem Ausfall der Ari wurden die Versorgungsflüge der Dakotas aus aller Herren Länder von den Jabos gesichert. Pausenlos wurde Napalm geworfen und mit Bordkanonen auf die Calcairen und die Täler daneben geschossen. Anfang Februar kam dann die DCA (Flak) des Viet-Minh zum Einsatz. 12 Hellcat formierten sich zum Angriff. Offensichtlich Anfänger, denn alle Flieger wie an einer Perlenschnur, so drehten sie zwei Ehrenrunden. Dann genauso der Sturzangriff auf die Steilwand. Als die erste Hellcat zu feuern begann, da kam die Antwort von unten. Die Hellcat verlor Teile und stürzte voll in den Felsen. Die zweite Hellcat machte einen Looping und brennend verschwand sie im Dschungel. Nr. 3, schon im Sturzflug, bekam Treffer und zog flach ab, er überflog uns in ganz geringer Höhe, der Motor war schon aus. Er schaffte eine Bauchlandung in den Stacheldraht der 13. Halbbrigade, die den Piloten rettete. Angeblich konnte er kein Französisch, die Hellcat hatte keine Nationalitätskennzeichnung, nur einen Tiger auf dem Leitwerk gemalt. Ich habe es nicht gesehen. Bei unserem nächsten Rollbahneinsatz war die Hellcat bereits ausgebrannt, der Viet hat sie noch völlig zerstört! Danach gab es keine Jabos mehr am Himmel, die Transporter warfen ihre Lastfallschirme aus großer Höhe, die meisten landeten im Niemandsland, nachts vom Vietminh geborgen. Die JU 52 warfen im Tiefflug neue Rohre für die 10,5cm Artillerie ab, ohne Schirm. Benzin und unsere Verpflegung, alles im Tiefflug ohne Schirm, die Munition lose in Reissäcken, das klappte. Wurde schon Jahre auf eingeschlossenen Posten so gehandhabt. Und die Verluste an Junkers 52 stiegen, beim Beladen mit Verwundeten wurden die Flugzeuge mit einem Granatenhagel vom Viet-Minh eingedeckt. Hochachtung für die Piloten, die immer wieder landeten, wir sahen mindesten 6 Junkers, die beim Start getroffen wurden und brennend abhoben oder zu Bruch gingen.

Unser Chateau 196 war fast unbehelligt, nur der Nachschub über den Fluß war ein Risiko. Sobald die Fähre startete, wurde nach einem Treffer auf unserer Seite von einem Jeep gezogen, setzte Werferfeuer des Viet-Minh ein, selbst wenn unsere Wasserholer im Fluß ihre Kanister füllten, begann der Werfer mit Störfeuer. Der Kessel wurde immer enger, unsere anderen Kompanien in der Festung konnten sich nicht mehr bewegen, sofort wurde aus dem Calcairen das Feuer eröffnet. Und nie bekam man einen Viet-Minh zu sehen, so gut waren diese Soldaten getarnt.

Ein vierstrahliger Bomber kreiste über 1 Stunde in großer Höhe, dann warf er eine Unmenge Bomben auf die Calcaire, die mit Verzögerung alle gleichzeitig explodierten. Ein Erdbeben, leider begann der Bombenteppich in den Stellungen der Fallschirmjäger, die aber vorher ihre Stellungen verlassen hatten.
Am 21.2.1952 wurden alle Zugführer zum Rapport beim Kompaniechef bestellt. Angeblich sollten Beförderungen besprochen werden. Thema: Wir brechen aus dem Kessel aus, ein Angriff von den Divisionen 304, 308 und 312 steht bevor. Unser Kompanie hatte die schwerste Aufgabe, nur deshalb wurden wir schon unterrichtet. Die Besatzung in der Festung erfuhr es erst am nächsten Morgen. Wir mussten erst mal unbemerkt unseren Berg verlassen und übersetzen in die Festung.

Meine Section ging auf Suche nach Bambusstäben zum Transport der Waffen. Wir hatten kein Glück, der Bergbambus brach sofort, in das Muong-Dorf konnten wir nicht mehr gehen, dort war bereits der Viet-Minh seit Tagen einmarschiert. Also ohne Tragestangen, die Kulis haben es verflucht, dass wir ihre Bambusstäbe verarbeitet hatten. Irgendwie hatte ich meine Kampfjacke an die Absperrpfahl zum Minenfeld gehängt und diese erst nach Stunden vermisst. Als ich die Jacke holte und anziehen wollte, kroch eine ca. 2 Meter lange Schlange aus den Ärmel und verschwand im Minenfeld. Mehre Vietnamesen hatten das beobachtet und kamen aufgeregt zu mir. „Chepp, Du haben viel Glück jetzt die nächsten 100 Jahre. Grüne Bambusschlange ist sehr giftig, wenn sie Dich nicht getötet hat, dann ist das ein Glück für Alle.“ Ich war gerührt und musste auf die Zunge beißen, denn die Leute wussten nicht, was uns bevorstand. Gegen 18.00 Uhr wurden alle Außentore geschlossen und vermint, damit keiner auf die Idee kommen konnte, jetzt zu desertieren. Es gab ein sehr reichliches Essen, gemeinsam mit den Moungs und unseren vietnamesischen Kulis, auf die wir immer angewiesen waren. Diese armen Kerle, zum Teil schon über ein Jahr bei uns, waren sehr treu. Im Falle einer Gefangennahme würden sie sofort vom Viet.Minh als Verräter umgebracht, dabei waren sie nicht freiwillig bei uns. Irgendwer hat dann es übernommen, die Mulis zu erschießen. Das waren ja Soldaten und durften nicht in die Hand der Viets gelangen. Mitnehmen war verboten. 01.00 Uhr. Wir verlassen den Posten. Waffen umwickelt mit Lappen und Handtüchern, wie gehabt bei Nachteinsätzen , wir schleichen ins Tal. Nichts wird gesprengt oder vermint, wir wissen nicht, ob wir durchkommen oder wieder zurück müssen.

Die schweren 12,7 mm bleiben bis auf zwei ebenfalls stehen, sie werden aber unbrauchbar gemacht. Ich habe in meinem Bunker ca.3 Tonnen Werfermunition, alles bleibt wie es ist. Nur die Munition für die beiden rückstoßfreien Kanonen wird komplett mitgenommen. Deshalb haben wir auch den Nachmittag noch ein Preisschießen veranstaltet, damit die Munition weniger wird.

Ohne Zwischenfall erreichen wir den Fluß .Das Übersetzen klappt auch hervorragend, einige Werfergranaten schlagen ins Wasser, die Viets haben den Jeep gehört, aber es wurde ja jede Nacht übergesetzt. Im Eilmarsch durchqueren wir die Stadt, klauen noch einen Lauf für unsere 12,7 mm von einem LKW der Ari, weil Johnny Hansen den Lauf am Fluß verloren hat.

Dichter Nebel, wie jede Nacht in der Flußniederung. Am Behelfsflugfeld müssen wir den Morgen abwarten, die Marine und die Pioniere am Flußübergang haben keine Kenntnis von der Aktion, sie würden auf uns schießen im Dunklen. Mit dem ersten Morgenlicht sind wir am Ufer und werden sofort übergesetzt. Und prompt beginnt die Artillerie des Viet zu feuern, da hat einer die Aktivität der Fähre gemeldet. Jetzt kommt der Hammer, wir stoppen sofort an der Übersetzstelle. Eingraben und Stellungen bauen, wir sind die Schlusslichter, wir müssen bis 12.30 Uhr diese Stellung halten, bis alle Truppen dieses Ufer erreicht haben. Jetzt bekommen wir die Rechnung für die 3 Monate als Zuschauer auf unserem Chateau 196!

Und es passiert nichts, keine Truppen zum Übersetzen. Die Pioniere der Legion kommen zu uns und helfen uns beim
ingraben und wollen wissen was passiert ist, die haben noch keine Information. Die Flußmarine hat Kenntnis. Mit Schweißbrenner zerstören sie die 4 cm Boforskanonen, die könnten doch in ihren Panzerung noch bis zum Schluß feuern, aber Befehl ist Befehl. Gegen 08.00 Uhr kommt Bewegung auf. Fahrzeug auf Fahrzeug steht in der Reihe, 2 LCT und die Pionierfähre fahren jetzt volles Rohr über den Schwarzen Fluß, der hier gut 250 Meter breit ist. Wir staunen, wieviele Jeeps in dem Kessel waren, zum Teil fahren Offiziere solo auf die Fähre. Die LKW stehen schon mehrere 100 Meter in der Reihe. Es waren zu Beginn der Operation fast 15000 Soldaten in Hoa-Binh. Die Fallschirmjägerbatallione wurden ausgeflogen und haben von außen immer wieder versucht, die R.C.6 wieder zu öffnen. Als Kampfeinheiten sind jetzt nur noch unser 1/5° R.E.I., das 3/13° D.B.L.E., ein Batallion Colonial-Fallschirmjäger und die 2 Tabor der Marokkaner im Kessel, und der ganze Stab, Pioniere, Artillerie, Sanitätseinheiten. Und dann setzen nur noch Truppen über, das Material bleibt stehen, es kommt langsam Panik auf! Und nicht zu vergessen die Marine, die jetzt zu Fuß schwimmen muß.

Von oben an wird geräumt, unser Battl. kommt endlich! Die 4. Kompanie soll 500 Meter weiter in Stellung gehen und den Rückzug sichern. Der Rest bis Xom-Pheo gehen, in den Posten des 2/13° D.B.L.E., die schon die Straße in Richtung Hanoi seit den Nachtstunden freikämpft.

Gegen 09.00 Uhr ist der verdammte Nebel weg, eine Stunde früher wie sonst und der Viet hat mitbekommen, dass wir uns zurückziehen. Ringsum dröhnen die Büffelhörner, wir kennen das Signal: Angriff! Jetzt kommt Hektik auf, das Signal lässt allen das Blut in die Knie sacken. Und ein Artillerie-Feuer setzt ein, ohne Pause und zum Glück sehr ungenau. Später wird es klar weshalb diese Ungenauigkeit beim Viet vorlag. Der Viet hatte unsere Geheimwaffe, die rückstoßfreien Kanonen ebenso vom Amerikaner bekommen wie Frankreich. Die Chinesen haben für diese Waffe, die eine ungeheuren Rasanz hat, 800 m/sec, aber nur bis 1500 Meter eingesetzt werden sollte, eine andere Granate entwickelt. Sehr viel langsamer, aber bis 5 km Reichweite. Und damit wurden wir jetzt eingedeckt. Deshalb auch die schlechten Ergebnisse. Die Marokkaner kommen schon abhetzt an, sie wurden schon aus ihren Stellungen vom Viet vertrieben. Und dann sehen wir erstmals eine Division Vietminhkämpfer über den Flugplatz auf die Stellungen der 13° D.B.L.E. zulaufen. Der Hügel ist einfach schwarz, wie ein Ameisenvolk ,wenn das Nest zerstört ist. Uns schwant Böses! Wenn jetzt zwei Jabos mit Napalmbomben kämen, einige Tausend würden verschmoren! Aber es kamen keine Jabos! Die Angst vor der Überzahl der russischen Flakgeschütze hat sich bei der Armee de Air breit gemacht.

Ein LCT gibt den Geist auf, angeblich Schraubenschaden. Die Marines werden von der Fähre aufgenommen, der LCT treibt steuerlos den Fluß hinunter. Die Marine sprengt ihre Schiffe und geht zu Fuß, die Offiziere werden von Jeeps aufgenommen. Pausenlos werden Soldaten gerettet, selten noch Fahrzeuge ,die Fahrer sind alle schon geflüchtet, deshalb kam auch ein LKW der Artillerie ,der nur mit Verwundeten der 13ten kam und auch von einem verwundeten Sous-Officier (Unteroffizier) der 13ten gesteuert wurde. Die Viets kamen im Laufschritt und trieben die Bérets Rouge und die 13. vor sich her. Endlich war unsere Schußdistanz erreicht, wir hielten jetzt voll drauf, erst die Werfer, dann die Kanonen und dann beide Cal. 50. Diese waren überhöht ,konnten also unsere fliehenden Kameraden ohne Gefahr überschießen. Jeder, der ein Fernglas hatte, suchte den Gegner ab, vor allem wo Granatwerfer oder MG in Stellung gebracht wurden, damit wir diese sofort auslöschen konnten. Gegen die anstürmenden Boi Doi waren wir machtlos, das waren ja Tausende. Die warfen sich auch nicht hin, wenn Hansen oder Seifert, die beiden Schützen an den 12,7 cm, ein volles Gurt (105 Patronen) auf eine Stelle hielten, wenn die Viets zu nahe an unsere Kameraden herankamen. Mittlerweile schoß die Ari des Viet in die eigenen Reihen, war ja gut so. Hatte offenbar auch keine Funkverbindung!

Jetzt kam noch ein Sherman-Panzer und ein Sanka vom Flugplatz mit mächtig Staub zur Fähre und das waren die letzten Fahrzeuge, der Sanka im LCT, der Panzer auf die Pontonfähre, beim Abfahren war der Shermanfahrer wohl zu nervös, ein Ponton ging zu Bruch ,die Fähre begann zu sinken. Der LCT fuhr jetzt langsam wieder in den Fluß, dann ein Knall, der LCT brannte und trieb ab. Ende der Rettung. An anderen Ufer standen noch viele Kameraden und gaben Zeichen. Einige sprangen ins Wasser und wollten zu uns schwimmen. Andere warfen ihre Waffen in das Wasser und zogen die Jacken aus, saßen da im weißem Unterhemd. Hatte in Indochina die gleiche Bedeutung wie das berühmte weiße Taschentuch an dem Gewehr.

Ich wurde vom Colonel der Artillerie aufgefordert, mit den Kanonen die nicht geretteten Fahrzeuge zu vernichten. Ich habe nur mit der Hand auf die vielen Legionäre gezeigt, die neben den Fahrzeugen standen und erwidert. „Die Legion schießt niemals auf Legionäre!“ Er fing an zu Schreien: Ich sollte seinen Befehl befolgen sonst würde er mich bestrafen lassen! In dieser Situation kam bei mir echter Frust auf. Ich habe nur geantwortet, dass ich nur von einem Offizier der Fremdenlegion einen Befehl entgegennehme und habe mit der Hand das Schwanzzeichen gemacht: Verpiss Dich! Das hat aber unser Batallions-Chef Masselot mitbekommen. Er hat mich kurz zusammengeschissen in seiner sehr eigenen Art: „Caporal, wir reden, wenn wir Hoa-Binh verlassen haben über die schlechten Manieren und die Art, einen Befehl verweigern, das war vielleicht korrekt, aber einem Colonel den PIS anzeigen, das ist eine Beleidigung eines Offiziers! Sie werden nie Sergeant und wenn ihr noch 2000 Viets tötet, ich habe mitgezählt! Fertig machen zum Abzug, ihr seid die letzte Section an der Fähre! Caporal KHK, ich bin stolz auf die 2. Kompanie, euer Chef ist verwundet, ihr müsst ohne Offizier kämpfen, deshalb bin ich bei der Kompanie geblieben! .Jeder Chef de Section ist jetzt verantwortlich, dass keine Legionäre zurückbleiben, die Kulis müssen auf Befehl hier zurückbleiben, es gibt Rebellen unter den Kulis!“ „D’accord, mon Capitaine!“

Alles kapiert, nichts wird so gemacht. Wir werden doch nicht unsere Kulis den Viet zum Schlachten servieren! Die armen Kerle, zwangsrekrutiert, sind doch von uns wie Freunde behandelt worden, an Hungertagen haben wir doch von deren Reisportionen mit Dörrfisch mitgegessen, aber auch nur, wenn wir 2 Tage Hunger hatten, sonst war das nicht essbar für einen Europäer! Mein Kuli Bao schleppte schon Monate meinen Rucksack, zusätzlich zu 100 Zündern für die Werfergeschossen, die zerlegt transportiert wurde. Und die so ausgesuchten Kulis haben auch die Granaten zusammengebaut, wenn volles Rohr geschossen wurde. Besonders heute! Nachdem der Alte wieder in Deckung gegangen war mit seinem „Radio“ (Funker) haben wir unseren Kulis gesagt, dass sie sich weggeworfenen Stahlhelme sammeln sollen und aufsetzten. Der eine den Plastikhelm und der nächste den dazugehörigen Stahlaufsatz, Handtuch drunter als Polster ,fertig. Die Kulis hatten schon von uns die Uniformmäntel an, so sahen sie schon aus wie Soldaten. Fertigmachen zum italienischen Angriff, das Zeichen zum Abzug. Da kommt der Alte wieder aus dem Schutzgraben. „Wer hat diese Merde zu verantworten?“ Da laufen plötzlich so 200 Zivilisten - Moungs- durch unsere Stellungen, Alte, Frauen, Kinder, 2-3 Kühe, alle mit Bambustragen und vollen Körben. Die Moungs aus der Stadt wollen mit uns fliehen. Es ist ja nicht der erste Rückzug mit der gesamten Bevölkerung, die vom Viet nichts Gutes zu erwarteten haben. Aber wie sind diese Leute über den Fluß gekommen? Nur gut, dass es keine Viets sind, die plötzlich zwischen uns sind. Die Leute waren nicht zu halten, die liefen einfach auf dem Weg weiter. Also mussten wir warten, wir konnten nicht dazwischen mitlaufen. So 5 Minuten werden aber verdammt lang, wir waren die letzten 30 Soldaten, der Rest von uns war im Laufschritt weg! Johnny Hansen schoß immer noch mit der 12,2, ganz allein hockte er unten in der Böschung. Sein Lader war schon mit einer Verwundung zu Fuß losgelaufen, er ließ sich nicht mehr festhalten. Endlich kam Johnny aus der Böschung und war happy. In dieser Situation konnte er noch fröhlich sein und mit seinem herrlichen Dänisch-Englisch-Deutsch sagen. „Kalle, war ich nicht der King, 25 Kisten habe ich rausgeballert, das hat noch nie jemand geschafft. Geh ich in den Bau, weil ich die Doussett (französisch für 12,7) da unten gelassen habe, dann sage ich, dass du mir niemand zum Tragen gegeben hast, dann gehst du mit in den Bau! Aber die Munition ist alle, kein Schuß mehr da !“ Ich war der Meinung, wir an der Fähre hätten den Abwehrkampf allein getragen, nur bei uns würde gekämpft.

Der Rückzug bis Xom-Pheo ca. 3 Km, das war die Hölle. Immer am Flußufer entlang, ohne Deckung, recht neben der Straße flaches Gelände, Schilf, Elefantengras, durch Napalm und Brände standen nur kniehohe verkohlte Stümpfe, kaum begehbar und von der 13° D.B.L.E. vermint. Die tapferen Legionäre hatten aber einen Laufgraben rechts der Straße ausgehoben, der etwas Schutz vor dem Viet bot, der fast überall das Ufer auf der linken Seite erreicht hatte und uns mit Gewehren und MG beschoß. Unser Glück war die große Kolonne der Zivilisten vor uns, die in Panik auf der Straße dichtgedrängt liefen, das war für die Viets ein Grund zum Dauerfeuer, wir folgten mit etwas Abstand in der Deckung des Laufgrabens, wir bekamen serienweise Schläge von Granatwerfern, die wir ziemlich gut überstanden. Der Viet schoß immer 4er-Serien. Beim ersten Einschlag, die Granaten hört man nicht, wenn man beschossen wird, volle Deckung, nach den vierten Einschlag Sprung Auf bis zur nächsten Serie. Und wir sahen mit einem flüchtigen Blick die vielen Toten und auch die verwundeten Zivilisten, die im Graben und auf dem niedergebrannten Feld lagen. Niemand hatte den Zivilisten gesagt, dass hinter einem Stacheldraht ein Minenfeld beginnt! Vor dem Feuer des Viet-Minh waren die Leute ganz natürlich in das Gebüsch geflüchtet. Vor allem unseren Frauen des Militärbordells lagen alle in dem Minenfeld, voran der Zuhälter, der im weißen Anzug geflüchtet war, mit der dicken Ledertasche vor dem Bauch, die jetzt zerfetzt war und die Geldscheine durch die Gegend wirbelten! Kroll konnte es nicht lassen, ungeachtetet des Werferfeuers und der Warnung von uns vor dem Minenfeld, lief er die 30 Meter in das Feld und raffte einige Piaster aus der Tasche des Zuhälters zusammen. Nach seinen Besäufnissen später in Bac-Ninh müssen das etliche tausend Piaster gewesen sein.

Wo die Straße den Flusslauf verlässt, kurz vor dem Posten Xom-Pheo, standen zwei riesige Bäume an der Straße. Dort stand eine große Qualm- und Dreckwolke und laufend knallte es, ganz kurz und schrill: die rückstoßfreien Kanonen, aber jetzt vom Viet abgefeuert! Der Graben war jetzt voll, Zivilisten, Kulis, Verwundete, viele Marokkaner, die uns bedeuteten ebenfalls Deckung zu suchen. Und es lagen jetzt viele Tote i
Graben und auf dem Stoppelfeld, Waffen, Materialkisten usw. Bis dahin lagen nur tote Zivilisten auf der Straße. In einer Deckung machten wir eine kurze Pause, Zählappell, alles Bestens, alle Mann und die Kulis da. Die Lasten wurden neu verteilt, damit jeder gut laufen konnte. Ich nahm meinen Rucksack selbst und die Bodenplatte eines 60er Werfers vor die Brust. Uneigennützig - das war die beste Panzerplatte.

Durch den Qualm konnten wir jetzt die ganze Misere erkennen. Alle unsere Fahrzeuge standen hier kreuz und quer, viele auf der Straße, der Rest im weiten Halbkreis links in dem abgebrannten Busch. Alle hatten sich einen Treffer der 5,7 cm eingefangen, viele brannten, Munition explodierte, Benzinkanister flogen in die Luft, das war das Inferno. Von der Legion war nichts mehr zu sehen, natürlich wir waren doch die letzten gewesen.

Nachdem wir sehr genau die Lage gepeilt haben, gab es nur noch einen Befehl. Im Schutze der abgeschossenen LKW 100 Meter in das Stoppelfeld, dort wo der Qualm sehr stark war. Immer in einer Reifenspur, dann kann keiner auf eine Mine treten. Die Legionäre 1ère classe Krausemann und Hansen bildeten den Schluß, damit jetzt niemand mehr verloren geht. Das war ziemlich einfach und wir kamen auch unbehelligt dort an. Unsere Aktion hatte aber Wirkung, mindestens Hundert folgten uns.

Und dann lag die freie Fläche vor uns, 100 Meter bis zu einer Mulde, das war der Himmel, dort stand auch der Battl.-Chef und gab laufend Zeichen, das wir kommen sollten. Gut gebrüllt, Löwe Masselot!.

Die Kanonen schossen immer fleißig in die Fahrzeuge vor uns, lange konnten wir uns nicht aufhalten, dann hätte man uns ein paar Schüsse vor die Nase gesetzt. Angefeuert von meinen Kameraden wagte ich mich dann als Erster aus der Deckung. Arsch auf Grundeis, Luft holen, ein letzter Ruck: „ Ich will hier lebend rauskommen !“
Und ab… 10 Meter, eine kleine Dreckwolke 2 Meter vor mir, Juuiiii, dann eine Sekunde Jaulen - Explosion! Die Granate war wegen der hohe Rasanz hochgeschleudert, ohne zu zünden ,dann wie vorgegeben nach 1,5 Sekunden Flugzeit explodiert. Jetzt aber Tempo bis diese Affennasen nachgeladen haben. Die Zeit hat gelangt um die Section Mortier et Engines in Sicherheit zu bringen.

Das wir auch im MG-Feuer lagen, habe ich mir dann erzählen lassen. Ich kann mich nicht erinnern! Ich bekam einen kräftigen Schluck Atomic (Pastis) aus einer Feldflasche, dann habe ich erst begriffen, dass wir durch das erste Tor aus der Hölle gekommen sind. Aber noch lagen die 30 km Gebirge vor uns.

In dem Chaos von brennenden Fahrzeugen und dem pausenlosen Feuer der Viet Minh auf die flüchtenden Truppen dirigierte ich meine Truppe in den Posten Xom-Pheo, der von der13° D.B.L.E. schon aufgegeben war. Im Schutze der Bunker wurde eine Pause eingelegt. Alle Kulis hatten Schnittverletzungen an den Beinen, die meisten Legionäre auch, durch die Stumpen des abgebrannten Elefantengrases, die waren scharf wie Messer. Angeblich war die Gegend mit Napalm abgesengt worden, deshalb wurden die Wunden mit Jod desinfiziert und verbunden, denn diese Schnittwunden entzündeten sich sehr schnell.

Mein Kuli Bao kam mit der ganzen Gruppe Kulis zu mir und bedankt sich, dass wir alle Kulis mitgenommen haben, denn sie hatten von dem Befehl ,die Kulis zurückzulassen, gehört.

„Chepp, Du bist unser Óng Sau Lú Ah, Sie haben der ganzen Section viel Glück gebracht, weil die Kanone auf Sie geschossen und nicht getroffen hat. Das ist alles Glück von der grünen Schlange in der Jacke, die Sie auch nicht gebissen hat. Mót Trám Mót Trám / Hundert Jahre Leben!“ Diese Kulis würden uns nie im Stich lassen. Nach dem Verbinden, es sah verrückt aus, alle Kulis jetzt mit weißen Füßen und Stahlhelmen auf den Kopf, ging es geordnet auf den Rückmarsch, wir waren schon wieder fast die Letzten. Von unserer Führung war nicht mehr zu sehen, der Battl.-Chef war mit einem Sanka enteilt, unser Kompaniechef - wir hatten nur einen Offizier in der Kompanie - war schon seit dem Übersetzen über den Fluß nicht mehr gesehen worden, er soll verwundet gewesen sein!

Wir waren so etwa 2 Kilometer von Posten Xom-Pheo entfernt, da setzte heftiges Gewehrfeuer aus Richtung Xom-Pheo ein. Der Viet war also über den Fluß gekommen und setzte uns nach. Also los - Tempo anziehen- Luft zwischen die Fronten bringen! Nach bangen Kilometern im Niemandsland, immer die steilen Kalkfelsen dicht an der Straße, aus denen jederzeit das Feuer auf uns eröffnet werden konnte, endlich gegen 18.00 Uhr die ersten Soldaten, die in den Gräben hockten und auf uns warteten!

Das 2° B.E.P., unsere Freunde, hatten die Straße in tagelangen Kämpfen freigemacht und sicherten unseren Rückzug. Der Kompaniechef der Fallschirmjäger war sehr erstaunt, dass noch eine Section des 5. Regimentes so einfach daher kam. Er hatte die Information, dass unser Bataillon schon restlos abgezogen wäre! Merde, hat man uns vergessen! Also weiter, bis zum Stab des 2° B.E.P., dort bekamen wir einige Rationen zum Essen und einen Rastplatz für die Nacht! Einen Hügel, der am Tag zuvor mit Napalm bombardiert worden war, weil von dort eine Viet-Einheit die Fallschirmjäger beschossen hatte. Ein bestialischer Gestank schlug uns entgegen. Napalm und verbrannte Menschen! Kehrt Marsch! Lieber weitermarschieren, aber nicht so eine Stellung einnehmen. Wortlos zogen wir noch eine Stunde weiter und suchten uns dann unseren Rastplatz zwischen den ausgebrannten LKWs aus, Überbleibsel des Hinterhaltes von Dezember. Einige Stunden Schlaf, das war’s aber schon, in der Morgendämmerung zogen sich die Fallschirmjäger zurück, wir beeilten uns, damit wir nicht wieder die Schlußlichter waren. Hunger ließ sich verdrängen, aber der Durst, der wurde zur Plage. 24 Stunden waren wir jetzt auf den Füßen, Wasser war jetzt nicht zu finden, Brunnen gab es nicht, die Tümpel waren alle verseucht, Napalm und Tote, da war kein Trinkwasser zu holen. Gefechtslärm setzte mit der Morgendämmerung vor und hinter uns ein! Der Viet war wieder aus den Verstecken gekommen und wollte uns jetzt den Heimweg verbauen, hatte nicht genug von dem Sieg in Hoa-Binh.

Wir kamen sehr gut voran, der gesamte Abschnitt der Route Colonial 6 war von Truppen besetzt, die unseren Rückzug deckten. Schutz hatten wir, aber auch Hunger und vor allem Durst. Da gab es höchstens mal einen Schluck aus einer Feldflasche eines Legionärs, das langte auch. Aber die Kulis, die mussten leiden! Gegen 18.00 Uhr sahen wir die Ebene, wir waren aus dem Gebirge. Da kam Stimmung auf, jetzt werden wohl lange LKW-Kolonnen auf uns warten und Tee und Bier und etwas zum Essen! Selten so daneben gedacht. Immer die gleiche Frage bei jeder Einheit : Wo ist unser Regiment? Wer seid Ihr? Das 5° R.E.I.! Unbekannt, zieht weiter, wir warten auf unsere Kompanien, die Euch rausholen mussten! Und dann, an den letzten Hügel vor dem Delta. Die Viet-Minh legten ein Dauerfeuer mit Mörsern und schweren MG auf eine Brücke, da war kein Durchkommen. Alles ging längs der Straße in Deckung, wir lagen bald wie die Sardinen in der Dose. Und dann setzte Werferfeuer auf uns ein! Da kam aber Unmut auf. Wir waren leergeschossen, konnten nicht zurückschießen und waren jetzt Schießscheiben. Einige Kilometer zurück, auf den Posten Ao-Trach, wo der gesamte Stab lag und die berühmten 15.5 cm Langrohr-Artillerie stand, dort standen auch Sherman-Panzer und Halftrucks mit 4cm Bofors-Kanonen. Weshalb kamen die nicht und walzten die Viets platt? Wir dachten und die Generale machten nichts! Eine Stunde hatte der Viet Zeit, uns (und das waren einige Hundert) zusammenzuschießen. Wir hatten Glück und hatten einen tiefen Schützengraben entdeckt. Wir hockten zusammengepfercht und warteten. Endlich ein Dröhnen in der Luft, 3 Hellcats zogen eine Schleife über uns, alles stand auf und gab Handzeichen in Richtung der Viets. Eine Hellcat wackelte mit den Flügeln - halber Looping - und trotz der Abwehrfeuer Stechflug genau auf unsere Peiniger. Zwei Napalmbomben auf den Hügel! In dem aufsteigenden Flammenpilz bildete sich noch mal ein Pilz, wie ein Atombombenpilz! Das war die explodierende Munition der Viets. Selten ist so ein Volltreffer mit soviel Applaus gefeiert worden. Der Weg war frei , weiter ohne Pause, und wenn wir bis Hanoi laufen müssen, denn für uns gab es anscheinend keine Fahrzeuge, mit uns hat niemand mehr gerechnet!

Nach 3-4 Kilometern das erste Dorf; alles im tiefsten Frieden, als gäbe es überhaupt keinen Krieg, wenn nur das Grollen der Artillerie nicht zu hören wäre. Neben einem Reisfeld ein Gemüsebeet, Kohlrabi in Hülle und Fülle! Und schon war der Óng Sau Lú Ah im Feld und hat für die Section geerntet. Ein zeterndes Weib und wer stand am Straßenrand: 3 Mann der PM (Police Militaire) im Jeep. Saubere Uniform, Bügelfalten und die weißen Holzknüppel, und noch von der Kolonialarmee! Kurze Diskussion, sie haben gestohlen, einsteigen! Wir sind hier nicht mehr in Hoa-Binh, hier ist Recht und Disziplin angesagt. Natürlich war jetzt Legionsdialekt angesagt, die Coloniale verstanden so gut wie nichts, nur dass sie sich schnell verpissen sollten, wenn sie keine Lust hätten, das Reisfeld in der ganzen Länge ausschlürfen zu wollen! Umringt von 10 hungrigen Legionären und 15 auf Kampf angelegten Moungs waren sie nach Kenntnisnahme meines Namens und der Einheit bereit, das Feld zu räumen.

Die Cong-Gai (Frau) wurde für die Kohlrabi bezahlt und wir blieben in dem Dorf und haben einfach den Rückzug auf unsere Weise dort beendet. Die Garküche im Dorf hat wohl selten so einen Umsatz gehabt. Wir hatten 3 Monate keine Gelegenheit , Geld auszugeben. Nach 2 Stunden war der Biervorrat im Dorf erschöpft, aber er hat auch gereicht, wir Legionäre waren alle zu, die Moungs haben den Reisschnaps nicht alle machen können! Wer diese Nacht Wache geschoben hat, ich weiß es nicht mehr, wahrscheinlich unsere Kulis. Im Laufe des nächsten Tages kamen Fahrzeuge des Regimentes und sammelten uns ein. Die Fahrt ging bis in die Regimentsbasis Bac-Ninh. Die Schlacht von Hoa-Binh war geschlagen. Meine Section kam ohne Verluste zurück, mit einem Plus von 7 Waffen!Die Kulis hatten Gewehre aufgesammelt und unter den Mänteln verborgen. Freimütig gestanden sie, das sie erst jeder 10 Viet-Minh gekillt hätten, bevor sie gefangengenommen und geköpft worden wären!

An dem Ausbruch der Besatzung von Hoa-Binh waren u.a. neben dem 3. Bataillon der 13° D.B.L.E. im Kessel das 2/3° R.E.I., das 1° und 2° R.E.I., 3/5° R.E.I., eine Escadron des 1° R.E.C. und die beiden Fallschirmjägerbataillone der Legion beteiligt, sowie noch mehrere Fallschirmjägerbataillone der Colonialarmee, plus der Artillerieregimenter und die Luftwaffe.

Später habe ich aus französischen Büchern erfahren, dass der Ausbruch mit einem Verlust von 600 Soldaten bezahlt wurde. In diesen Verlustmeldungen waren nie die Zivilsten und die sogenannten Suppletive, Partisanen auf der Seite Frankreichs, mitgezählt worden.

Diese verlorene Schlacht, 60 km von der Hauptstadt Hanoi entfernt, war keine Lehre für den französischen Generalstab, der 1954 dann die Schlacht von Dien-Bien-Phu, 450 km von Hanoi entfernt, anzettelt und damit den Krieg in Indochina verlor!