Feldpost
Einleitung
Heinz W.
im Jahr 1953
Karl Heinz W. ist Jahrgang 1927 und stammt aus Wismar an der Ostsee. Im Dezember 1952 meldet er sich im Alter von 25 Jahren in Landau zur Fremdenlegion.
Nach seiner Ausbildung in Nordafrika, wird er im Frühjahr/Sommer 1953 nach Indochina verlegt.
Er wird dem I/2° R.E.I. zugeteilt und kommt in die 2° Compagnie.
Bald entwickelt sich ein reger Briefwechsel mit seiner Mutter in Deutschland.
Anhand seiner Briefe lässt sich sein tragischer Weg in der Legion sehr gut nachvollziehen.
Neben den sehr persönlichen Passagen, welche hier nicht veröffentlicht werden, gehen zudem auch sehr grundsätzliche Informationen über die Legion aus den Briefen hervor.
Die nachfolgenden Passagen werden wörtlich und ohne Korrektur wiedergegeben.
Briefe aus Ke Sat in Indochina
Kesat, den 30.Oktober 1953
...Liebe Muttsch, die beiden Bilder die Du mitgeschickt hast sind ganz gut, die Blumen von Oma werden immer mit mir marschieren, sie werden mich stets begleiten, über Flüße und Seen über Merde und über das Weite von China, sie werden dem Klima trotzen und eines Tages werden sie sich wieder in Deutschland befinden. Ja Muttsch, sage Oma „das Sie mir kein besseres Geschenk, und keine größere Freude hätte machen können, als wie grade, mit diesen Blumen. Denn, ich glaube jeder Soldat, ist ein kleinwenig abergläubisch, Jürgen hat ein Armband gehabt, ich habe jetzt zwei kleine Blumen bekommen, bekommen von einem Menschen, dem ich etwas wert war, und ich werde diese Blumen so teuer wie möglich verkaufen wenn es einmal schiefgehen sollte, denn diese Blumen sind mir mehr wert, wie die ganze Kultur China´s zusammen...
Kesat, den 31.Oktober 1953
...Du schreibst, ob ich denn garkeinen Urlaub in all der langen Zeit bekommen würde. Ja Muttsch, natürlich bekomme ich welchen, jeder Soldat bekommt, also auch ich. Wenn ich mit Indo-China fertig bin, kriege ich Urlaub, ich kann ihn in Afrika, Frankreich oder auch hier in China verbringen, nur nicht in Deutschland. Aber erst muß ich hier meine, jeder Legionär muß zwei Jahre Indo China haben, dann kommt er automatisch nach Afrika zurück und muß seine restliche Zeit, die er noch zu machen hat, in Afrika bleiben. Es ist etwas anderes wenn ich meine zwei Jahre hier herum habe, und ich will, von mir aus, hierbleiben, ja wenn ich keine Krankheiten das erste Mal, gehabt habe, dann kann ich hierbleiben...
Kesat, den 07. November 1953
…Ja Muttsch, nun bin ich da angelangt, wo ich schon immer einmal hin wollte, ich weiß du bist der Überzeugung, das ich irgend etwas verheimliche oder verschweige nicht wahr? Du kannst es einfach nicht glauben das Dein Sohn so ohne weiteres in die Legion Etrange gegangen ist nicht wahr? Muttsch, muß jeder ein Verbrecher sein, der hierher geht, nein ich habe es auch einmal geglaubt das es so sein müßte, aber ich bin eines anderen belehrt worden. Wo ich mir das erste Mal in Landau zur Legion gemeldet habe, kam ich schon zur Einsicht, das ich früher ganz falsch über die Legion urteilte und unterrichtet war. Denn erstens mußte ich sämtliche Papiere vorlegen die ich hatte um meine Persönlichkeit auszuweisen. Dann musste ich sämtliche Arbeitspapiere zeigen, damit sie auch wußten das ich die ganze Zeit über auch gearbeitet hatte. Auserdem mußte ich dann auch noch kerngesund sein. Ja es ist hier nicht mehr so wie früher, das jeder so ohne weiteres zur Legion gehen kann, nein es hat sich alles geändert. Trotzdem Muttsch, sind hier große Menschenschicksale, die wohl auch so leicht keiner ermessen kann, aber im Allgemeinen ist es eine Armee, wie jede andere auch. Es gibt hier gute und schlechte Menschen, wie bei Euch auch, aber eines ist bestimmt sicher, das hier wohl die besten Deutschen, Italiener, Polen, Rußen, Ungarn, Engländer, Spanier und was es sonst noch alles gibt, sind, denn Muttsch, ich sehe es jeden Tag immer wieder, wenn Sie es auch nicht für wahr haben wollen, in Gedanken weilen sie doch stehts, in Ihren Heimatland.
Jetzt wirst Du fragen „wie wir uns untereinander verständigen, nicht war? Ja Muttsch das ist so, alle Kommandos werden auf französisch gegeben und die richtige Sprache ist auch französisch, aber der Eine lernt sie schnell, der andere eben langsam und so wird nicht immer französisch gesprochen aber das wir uns schon mal nicht verstanden haben, gibt es nicht. Am besten verstehn wir uns, wenn wir auf Operation sind, denn wenn die ersten MGs anfangen, an zu schießen, dann weiß jeder von uns sowieso, was er zu tun hat. Also Muttsch, mach Dir man keine Gedanken über Deinen kleine Sohn, denn er hat Dir bestimmt nichts verheimlicht, wozu auch was verheimlichen, wenn man Tagtäglich mit dem Tod umgeht. Auch wenn es einmal traurig aus gehen sollte, so wirst Du benachrichtigt, da bekommst ein Schreiben, worin Dir erklärt wird, das Dein Sohn für Frankreich gefallen ist, aber glaube nicht daran, denn die Legionäre fallen nicht für Frankreich, sondern wenn sie sterben, dann nur für Ihre Fahne, für die Fahne rot grün (es ist die Legionsfarbe) und für sich selbst. Ja Muttsch, das ist die Legion, so und nicht anders ist sie, ein bischen rauh und hart aber sonst die besten Kerle, es sind halt die „Unbezähmbaren“…
Kesat, den 22. Dezember 1953
…Gestern erst bin ich von Operation zurück gekommen, werden wahrscheinlich über Weihnachten hier bleiben, aber bestimmt ist noch garnichts. In letzter Zeit ist hier bei uns viel loß und wir müssen uns ständig bereit halten, um sofort marschieren zu können, wenn Not am Mann ist…
Dien Bien Phu
Mit diesem Brief endet zunächst der Kontakt. Denn im Januar 1954 wird das I/2° R.E.I. nach Diên Biên Phú verlegt. Es ist fraglich, ob Heinz W. aus Diên Biên Phú noch Briefe geschrieben hat, diese liegen jedenfalls nicht vor.
Sicher ist, dass Karl Heinz W. mit seinem Bataillon an den Kämpfen um die Huguettes teilgenommen hat und dabei am Bein schwer verwundet wurde.
Aufgrund seiner Verwundung, musste er nach dem Fall von Diên Biên Phú am 07. Mai 1954 nicht den Weg in die Lager antreten, sondern wurde vor Ort von den Vietminh freigelassen.
Mit den anderen Schwerverwundeten wurde er nach Hanoi geflogen und nach kurzem Aufenthalt dort vermutlich per Schiff nach Afrika verlegt.
Er kommt im Spätsommer 1954 in Oran an der algerischen Mittelmeerküste an, wo seine Verwundung im Hopital Baudens behandelt wird.
Es dauert drei Monate, bis der Briefwechsel mit seiner Mutter im Dezember 1954 wieder beginnt...
Briefe aus Oran in Algerien
Oran, 02. Dezember 1954
Habe Deinen lieben Brief dankend und mit großer Freude erhalten. Wie Du schreibst, hast Du Dir wiedereinmal große Sorgen, um Deinen Jungen gemacht. Glaube mir Muttsch, wenn ich eher in der Lage gewesen wäre Dir zu schreiben, so wäre dieses, so wäre dieses bestimmt auch, von mir aus geschehen, leider war dies nicht der Fall. Auch darfst Du nun nicht unnötig Beunruhigt sein, oder Dir gar Gedanken machen über mich…
… ich hatte viel Glück. Wie immer in meinem Leben. Nur das Bein will nicht mehr so richtig, ich kann immer noch nicht darauf stehen, auch liege ich jetzt wieder in einer Platte (wie am Anfang meiner Verwundung)…
Heinz W.
Hopital Baudens im Jahr 1954
Oran, den 22. Januar 1955
… In den fünf Monaten wo ich jetzt schon wieder in Afrika bin, habe ich bis jetzt schon allerhand Post bekommen. Es waren ganze drei Briefe, und meine Kameraden meinten zu mir das ich wohl bald den Rekort im Postempfang brechen würde. Wie Du siehst bin ich bis jetzt auch ganz ohne Briefe ausgekommen…
Oran, den 15. Februar 1955
…Wenn ich jetzt auch hundemieserabel aussehe und es mir auch garnicht allzu gut geht , halte ich trotzdem mein Wort und werde nun gerade zum Trotze erst recht hundertundein Jahr alt. Jetzt muß ich Oma leider einen großen Verlust melden, denn das kleine Vergißmeinicht, das sie mir einmal nach Indo China schickte, habe ich nicht mehr. Es war noch in Dien Bien Phu, wie da noch die größten Kämpfe tobten, nahm ich eines Tages meine Brieftasche aus der Tasche, um sie von Schlamm und Dreck zu befreien, da sah ich dann auch meinen wertvollen Talismann, wie er schon zu Staub zerfallen war, wieder. Drei Tage später, wurde ich verwundet…
… Ja in der Tat hat sich vieles bei mir verändert und wenn ich Dir nun diese Seite aus meinem Leben schildere, so wirst Du auf die Tragik eines ganzen Menschen stossen, dessen Leben jetzt erst recht „Kampf“ bedeuten wird. Wie ich zur Legion ging muß ich leider ehrlich sagen, daß ich in keiner Weise mir irgendwelche Gedanken über eine eventuelle Verwundung machte. Jetzt wo es geschehen ist, kommen sie ganz von alleine und daher heißt es auch jetzt für mich, das ich diesen Gedanken ins Auge schaue und richtig ordne. Durch meine Verwundung habe ich meinen Beruf verloren, wenigstens für die ersten Jahre, aber das Leben geht trotzdem weiter, es macht deswegen nicht halt, nur weil ein Mensch gestorben oder verwundet wurde. Oh nein, diese Illusion können sich die Schwachen wohl hingeben, aber der richtige Mensch, erlässt sich bestimmt nicht blenden…
… Wie ich jeden Tag hier sehen kann, gehen alle Blessierte in ihre Heimat zurück, wenn sie soweit ausgeheilt sind und laufen können. Ich möchte hierin eine Ausnahme machen, anstatt nach Hause zu gehen, möchte ich meine fünf Jahre erst noch vollmachen, um dann später in Zivil keine großen Schwierigkeiten mit meinem Fuß zu haben. Denn wenn ich meinen Service vollmache, habe ich noch immer die Möglichkeit (auf mein Obacht) mein Bein zu kontrollieren. Es sind immerhin noch zweieinhalb Jahre die ich noch zu machen habe und in dieser Zeit kann sich vieles mit dem Fuss ändern. Es ist allerdings die Frage, ob ich bleiben darf…
Nachwort
Nur wenige Tage später bricht Karl Heinz W. den Briefkontakt zu seiner Mutter auf eigenen, ausdrücklichen Wunsch ab. Weitere Briefe von ihm kommen nicht mehr an.
Es konnte recherchiert werden, dass Karl Heinz W. wegen seiner Verwundung im August 1955 frühzeitig aus der Legion entlassen wurde.
Ob er nach Deutschland zu seiner Familie zurückkehrte, ist nicht bekannt.
Im Juli 1957 wird ihm die Médaille Militaire i.V.m. dem Croix de guerre des T.O.E. verliehen.