Nam Nang
Einleitung
Zwischen Cao Bang und Dong Khe sind Mitte Februar 1948 an der Route Coloniale 4 starke gegnerische Kräfte aktiv, welche u.a. für die Überfalle vom 05. Februar 1948 verantwortlich sind.
Auf dem Streckenabschnitt werden daher neue Posten installiert. So auch der Posten P.K. 22, in der Umgebung von Na Vai, welcher von einer Kompanie algerischer Schützen des 23° B.T.A. aufgebaut wird.
Die Vietminh in diesem Bereich stören die Arbeiten am Posten immer wieder durch Beschuss. Und kreisen ihn schließlich komplett ein.
Als auch der der Posten P.K. 28 um dringende Unterstützung bittet und zudem ein Konvoi aus Süden angekündigt wird, beschließt man daher aus Cao Bang eine größeren Truppe in die Region zu senden, um die Route Coloniale 4 zu öffnen.
Karte der Region Cao Bang bis That Khe (6,1 MB)
28. Februar 1948 - Cao Bang
Harry S.
C.Q.G. du 3° R.E.I.
Am 28. Februar 1948, gegen 07:30 Uhr morgens, stehen die Kräfte in Cao Bang bereit.
An der Spitze Lieutenant-Colonel Jean Simon, der neue Führer des 3° R.E.I. in Begleitung von Lieutenant Jacques Vallin, welcher gerade erst frisch zum 3° R.E.I. versetzt wurde.
Der Colonel wird geschützt durch die Section Protection aus der C.Q.G. unter Lieutenant Jean Charles-Dominé.
Einer der Legionäre aus der Section Protection ist Harry S. Er ist bereits seit dem 25. April 1946 mit der C.Q.G. des 3° R.E.I. in Indochina.
Von Harry S. stammen zahlreiche der Informationen zu diesem Bericht.
Neben Teilen der 7° Compagnie unter Capitaine Francois Vieulès, ist auch eine Section der Coloniale und eine Section Partisanen mit von der Partie. Geschützt wird der Konvoi durch ein Peloton der 4° Escadron des R.I.C.M. mit einem A.M. und zwei Scout-Cars, sowie einer 105mm Kanone der Artillerie. Zusätzlich sind Pioniere und Sanitäterinnen dabei.
Bis zum Kilometer 22 gibt es keine Probleme für den Konvoi, doch ab hier beginnt eines der schwierigeren Stücke der Route Coloniale 4, welches sich für einen Hinterhalt anbietet. Die Route Coloniale 4 schlängelt sich hier an einem Abhang entlang. Links geht es teilweise steil hinauf, rechts in ein Flussbett hinab.
Die Artillerie aus Cao Bang belegt dieses Teilstück daher vor der Passage des Konvois mit heftigem Feuer.
Dann geht es weiter vorwärts. An der Spitze fährt ein Scout Car, es folgt der Jeep des Colonel, dann ein A.M., dann ein Dodge mit einer Gruppe der Section Protection unter Lieutenant Charles-Dominé und dann ein weiterer Dodge mit einer Gruppe der Section Protection unter Caporal-Chef Somogyi.
Es folgen auf einem G.M.C. die Soldaten der Artillerie, welche das 105mm Geschütz ziehen und ein Sanka. Dann ein Dodge mit der dritten Gruppe der Section Protection unter Sergent Toante, Fahrer ist der Legionnaire Hermann Holz.
Weiter hinten folgen die restlichen Kräfte, die 7° Compagnie bildet etwas abgesetzt die Nachhut am Ende des Konvois.
28. Februar 1948 - Kilometer 26
In der Region von Nam Nang, um den Kilometer 26, haben die Vietminh sich auf dem Abhang rechts über der Straße versteckt.
Es sind mehrere hundert Vietminh auf einer Länge von drei Kilometern, welche den Artilleriebeschuss fast unbeschadet überstanden haben.
Als die Spitze des Konvois gegen 12 Uhr diesen Punkt erreicht, wird der erste Dodge durch eine Minenexplosion in die Luft geschleudert.
Auch unter dem zweiten Dodge explodiert eine Mine. Gleichzeitig bricht ein mörderisches Feuer aus einem Dutzend Maschinengewehren auf die Legionäre ein.
Das Scout-Car an der Spitze des Konvois hat gestoppt. Der Schütze ist tödlich getroffen und wird durch einen Kameraden ersetzt.
Die Legionäre der Section Protection, welche noch nicht durch die Explosion heruntergeschleudert wurden, springen von den Fahrzeugen und suchen Deckung, um das Feuer zu erwidern.
So auch Harry S. mit seinen Kameraden auf dem zweiten Dodge. Wer rechts vom Fahrzeug auf Talseite liegt, ist etwas vom Feuer geschützt, wer links liegt findet kaum Deckung. Mehrere Legionäre werden daher gleich zu Beginn getötet oder schwer verletzt, darunter der Legionnaire Claudio Tejedor.
Lieutenant Charles-Dominé wurde durch die Explosion vom Fahrzeug geschleudert, ist jedoch nur leicht verletzt. Auch sein Fahrer, der Legionnaire Horst Förster, hat die Explosion überstanden.
Beiden gelingt es, sich mit dem Colonel und Lieutenant Vallin, sowie einigen weiteren Legionären, auf eine halbwegs gesicherte Position im Tal zurückzuziehen.
Derweil explodieren zahlreiche Granaten an den Fahrzeugen und bereits nach wenigen Minuten leitet eine Trompete der Vietminh die erste Angriffswelle ein.
Die an den Fahrzeugen verbliebenen Legionäre werden einfach überrannt. Den Vietminh geht es zunächst um die Munition, welche hastig von den Fahrzeugen mitgenommen wird, insbesondere auch die Munition des 105mm Geschützes. Die Artilleristen habe keine Chance und werden niedergemacht.
Vom ersten Dodge nehmen sie auch einen 81er Mörser mit, welcher dort zurückgeblieben war.
Nachdem sich die erste Welle der Vietminh von den Fahrzeugen wieder zurückgezogen hat, geht der Kampf weiter. Der Beschuss von oben ist unvermindert heftig.
An jedem Fahrzeug wird einzeln gekämpft. Unter dem schweren Feuer des Gegners ist eine Gruppierung nicht möglich. Die Abstände sind groß und man ist durch die Kurven außer Sichtweite.
Am dritten Dodge kämpft Sergent Adolpho Toante mit seinen Männern ums Überleben. Sie leiten einen Gegenangriff auf den Hang ein, kommen jedoch nicht vorwärts. Die Versuche, die Angreifer zu dezimieren fordern weitere Verluste.
Weiter vorne am zweiten Dodge halten sich noch ein paar Legionäre, darunter auch Harry S. Doch von oben haben die Vietminh seinen Dodge fest im Visier.
Im Tal bei Lieutenant Charles-Dominé finden sich einige weitere Legionäre aus der Section Protection ein, darunter Caporal Posthingel und Caporal Wolhtschuko. Zusammen versuchen sie, einen Gegenangriff in Richtung der Straße durchzuführen.
Doch man kommt im schweren Feuer nicht vorwärts. Caporal Wolhtschuko wird dabei schwer getroffen und man muss sich in Deckung zurückziehen.
Citation a l´orde de la brigade
von Harry S., C.Q.G./3° R.E.I.
für seine Leistungen am 28. Februar 1948
Über eine Stunde dauert der Kampf bereits, als Harry S. gegen 13:30 Uhr unter seinem Dodge durch einen Schuss im linken Bein getroffen wird, er hat dadurch einen offenen Wadenbeinbruch.
Er ist mittlerweile der letzte Überlebende an seinem Fahrzeug, seine Kameraden sind bereits gefallen oder rühren sich nicht mehr, darunter u.a. Caporal-Chef Somogyi.
Die Lage wird für Harry S. brenzlig, als ein weiterer Schuss den Kolben seines Gewehrs trifft. Er weiß nun, dass man ihn fest im Visier hat und ein Vietminh offenbar flach über die Straße geschossen hat. Er kriecht langsam in das hohe Gras neben der Straße und robbt sich langsam vor in Richtung des ersten Dodge.
Unterdessen kommt Lieutenant Charles-Dominé im dritten Versuch endlich an die Fahrzeuge auf der Straße heran.
Man findet vier Kameraden an dem ersten Dodge. Darunter den Legionnaire Ivan Romanof, welcher in seinen letzten Zügen liegt und dann verstirbt.
Harry S. trifft im Gras derweil auf seinen Kameraden Hans Winter. Dieser erkennt ihn im letzten Moment, fast hätte er ihn erschossen.
Das Feuer der Vietminh ebbt nun deutlich ab, sie ziehen sich nach zwei Stunden des Gefechts zurück. Trotzdem sind noch einzelne Vietminh am Hang versteckt.
Mit Hilfe des Scout Cars kann Lieutenant Charles-Dominé nun langsam zum Rest des Konvois nach hinten vorstoßen.
In Richtung des zweiten Dodge gibt es noch Überlebende, darunter Harry S. und Hans Winter.
Weiter hinten findet man das Personal des 105mm Geschützes. Sie wurden alle getötet, ebenso eine der Sanitäterinnen. Eine zweite Sanitäterin wurde von den Vietminh mitgenommen.
Am dritten Dodge sind Sergent Adolpho Toante und sein Schäferhund Rex, sowie einige weitere Legionäre gefallen. Doch auch hier gibt es noch Überlebende.
Gegen 14:20 Uhr überfliegen schließlich zwei Jagdbomber den Konvoi. Sie können jedoch nicht mehr eingreifen.
Kurz darauf trifft endlich auch Verstärkung ein, Fallschirmjäger des I/1° R.C.P. aus Cao Bang.
Die Vietminh können schließlich aus den Nahbereich vertrieben werden, nur in der Entfernung fallen noch Schüsse.
Bilanz
Das Ausmaß des Überfalls ist verheerend. Nicht nur die Spitze des Konvois hat es getroffen, auch die Nachhut von der 7° Compagnie des II/3° R.E.I. wurde schwer dezimiert.
Beide Offiziere der 7° Compagnie, darunter Capitaine Francois Vieulès mit einer Schusswunde, sind unter den Verletzten. Somit wird die 7° Compagnie des II/3° R.E.I. nur noch von einem Sergent geführt.
Insgesamt gibt es 24 Tote und 26 Schwerverletzte. Diese werden notdürftig versorgt und auf zwei Dodge verladen. Allein fahren die Verletzen nach Cao Bang vor.
Auf dem Fahrzeug von Harry S. liegt Caporal Ivan Wolhtschuko. Er ist durch seinen Bauchschuss so schwer verletzt, dass ihm das verabreichte Wasser direkt durchläuft. Er wird den Tag nicht überleben.
Die gewagte Fahrt gelingt ohne Zwischenfälle und am späten Nachmittag erreichen die Verletzten Cao Bang.
Am Abend, gegen 20 Uhr, kommt der restliche Konvoi endlich in Cao Bang an, wo auch die leichter Verletzten in das Lazarett gebracht werden.
Im Lazarett erliegt Sergent-Chef Luigi Bastaroli aus der 7° Compagnie am nächsten Tag an seinen Verletzungen.
Er wird mit den anderen Gefallenen am 29. Februar 1948 auf dem Friedhof von Cao Bang begraben.
Aus der 7° Compagnie des II/3° R.E.I. sind dies neben Sergent-Chef Luigi Bastaroli u.a. die Legionäre Max Dost, Bernhard Keldermann und Fernand Revueltas.
Aus der Section Protection des 3° R.E.I. u.a. die Caporaux Raoul Quessast und Yvan Wolhtschuko, sowie die Legionäre René Denquin, Ivan Romanof, Rolf Rüdiger, Claudio Tejedor Maceddo, Michel Vajda und Aldo Zuccaccia.
Als letzes Opfer verstirbt am 06. März 1948 Lieutenant Jacques Vallin vom 3° R.E.I. infolge seiner Verletzungen im Lazarett von Cao Bang.
Ihm zu Ehren wird der P.K. 22 bei Na Vai zum Poste Lieutenant Vallin benannt.
Nachwort
Der bereits hochdekorierte Capitaine Francois Vieulès wird auch seine siebte Verletzung überleben.
Er kann die 7° Compagnie des II/3° R.E.I. allerdings nicht weiter führen und wird zunächst zur Genesung nach Frankreich zurückkehren.
Bald darauf kehrt er jedoch nach Indochina zurück und nimmt u.a. mit dem 1° B.E.P. an der Schlacht von Diên Biên Phú teil.
Er bleibt auch weiter der Legion treu und fällt als Chef de Bataillon der 13° D.B.L.E. am 27. Dezember 1958 in Algerien.
Lieutenant Jean Charles-Dominé muss die Führung der Section Protection verletzungsbedingt an Adjudant Coquelle abgeben.
Er verlässt Cao Bang nach seinem Lazarettaufenthalt am 15. April 1948 und wird nach Frankreich transportiert. Seine militärische Karriere kann er jedoch bald wieder erfolgreich fortsetzen und wird 1971 sogar das 3° R.E.I. kommandieren.
Caporal-Chef Gyula Somogyi überlebt schwer verletzt. Er wird von Cao Bang umgehend in ein Krankenhaus nach Hanoi verbracht und von dort nach Paris.
Doch er verliert beide Beine und muss die Legion verlassen. Seinen Lebensabend wird er im Invalidenheim der Legion In Puyloubier verbringen.
Harry S. wird nach seinem Wadenbeinbruch zweifach in Cao Bang operiert, erst nach drei Wochen kann er die ersten Gehversuche unternehmen.
Am 25. Mai 1948 verlässt auch er Cao Bang, um über Haiphong und die C.P.L.E. in Saigon im August 1948 schließlich nach Nordafrika verschifft zu werden.
Aufgrund seiner Verletzung wird er im April 1949 frühzeitig aus der Legion entlassen.